♦Das heutige Gleichnis aus dem Evangelium ist sehr komplex, vor allem wegen der Art und Weise, wie die Beziehung des Menschen zu Gott ausgedrückt wird – eine Beziehung, die auf einem einzigen Prinzip beruht, nämlich dass Gott alles tut. Gott ist derjenige, der vergibt, der barmherzig ist und der uns bis zum Ende liebt. Das Problem, das uns bleibt, ist, seine Güte zu erkennen und mit Hoffnung und Vertrauen auf diese Güte zu ihm zu kommen; auch die Liebe zu erkennen, die Christus zur Welt hat, und ihn in der Vergebung zu erkennen, die er durch sein Opfer der ganzen Welt schenkt, damit uns der Vater vergibt. Indem Christus für unsere Sünden bezahlt, lässt er auch dem Bösen Gerechtigkeit widerfahren.
♦Aber was bedeutet diese Erkenntnis und was ist ihr Ergebnis? Zunächst vertrauen wir darauf, dass wir zu Christus kommen, wissend, dass er uns vergibt, wie viel wir auch immer gefehlt haben. Wir, wie immer wir auch sind, vertrauen auf seine Liebe, wenn wir ihn als Gott anerkennen. Ihr werdet sagen, dass all diese Dinge im heutigen Evangelium geschehen sind. Ja, der Mensch kommt zu seinem Herrn nicht in der Hoffnung auf Vergebung, sondern in Verzweiflung. Oft gehen auch wir erst dann zur Beichte, wenn wir nicht mehr weiter wissen, wie einst jener leidende, verzweifelte Vater, der rief: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Ich komme nicht im Glauben zu Dir, sondern in Verzweiflung. Ich glaube aus Verzweiflung. Was soll ich tun? Wohin soll ich gehen? Selbst der Apostel Petrus sagte: „Herr, zu wem sollen wir gehen?“, obwohl die Apostel Christus nicht verstanden.
♦Meine Lieben, Gott nimmt auch diese Verzweiflung an. Uns überrascht es, dass er uns vergibt, auch wenn wir nicht verstehen, was seine Vergebung bedeutet oder zu wenig Glauben darin haben. Er vergibt uns nicht nur, sondern befreit uns von unseren Schulden und bezahlt für uns, damit wir wieder frei werden. Was heißt das? Dass er uns zu seinen Kindern macht, so wie wir es im Gleichnis vom verlorenen Sohn sehen. Wir können keine Diener sein, denn bei Gott sind wir immer frei. Christus macht uns nicht zu Dienern, sondern zu seinen Brüdern. Gott behandelt uns nicht wie den Rest der Schöpfung, sondern wie jene, die seines Sohnes Abbild sind. Aus diesem Grunde ergießt sich die Beziehung, die innerhalb der Heiligen Dreifaltigkeit vorhanden ist, auch über uns – eine Beziehung voller Liebe, aber auch der vollkommenen Freiheit, weil diese ohneeinander nicht bestehen können. Man kann seinen Mitmenschen nicht lieben, ohne ihm seine Freiheit zu lassen, nicht wahr? Und man kann auch keine Freiheit genießen, wenn man nicht liebt. Liebe gibt es nur in der Freiheit und Freiheit gibt es nur in der Liebe. Die Freiheit kann nur in der Liebe verstanden und gelebt werden. Was heißt es, zu lieben? Ein freiwilliger Diener zu werden. Es gibt viele Definitionen der Liebe. Jemand sagte: Lieben heißt, jemanden in deiner Seele zu tragen, ohne dass er etwas verliert, das heißt, ihm die Freiheit zu geben und dich selbst zum Diener dieser Liebe zu machen.
♦Im heutigen Evangelium fühlt sich der „elende Knecht“ frei dem gegenüber, der ihn liebt. Ihr werdet sagen: Hat er ihm denn nicht die Freiheit geschenkt? Das ist ein Paradoxon, denn wenn mir jemand die Freiheit schenkt, warum sollte ich dann Diener sein wollen? So ergeht es den Eltern, die ihren Kindern oft zu viel Freiheit schenken, wobei diese gar nicht verstehen, was Freiheit bedeutet. So erging es dem Volk Israel vor dem ersten Kommen Christi. Das Volk verstand nicht, was Freiheit heißt, deshalb musste es durch Gesetze eingeschränkt werden. Meine Lieben, was heißt, frei zu sein? Der göttliche Apostel Paulus sagt es: „Wer sich von Christus frei gemacht hat, dient der Sünde; wer aber ein Christi Diener ist, ist frei von der Sünde“. Freiheit ist Knechtschaft. Nur so können wir frei von Sünde leben, indem wir Diener Christi werden. Die Befreiung vom Kommunismus war gerechtfertigt, aber alle, die heute von Freiheit reden, sollten nicht vergessen, was die Menschen, die damals auf die Straße gingen, wollten. Sie gingen auf die Knie und sagten das „Vaterunser“, das heißt, sie wollten Diener Gottes sein. Deshalb hat Gott dieses Volk vom Kommunismus, von der materialistischen und atheistischen Ideologie befreit, und nicht, damit wir auf eine andere Weise zu Sklaven der Materie und des Widerstands gegen Gott werden. Denn jetzt sind wir wieder zur gleichen, mehr oder weniger aggressiven Ideologie zurückgekehrt, in der die Materie und die Unabhängigkeit von Gott diktieren. Selbstverständlich kann man Gott nur in Freiheit lieben, aber seht, wir steuern auf Zeiten zu, in denen wir immer weniger frei sind, an Gott zu glauben, und in denen wir immer mehr zum Glauben an die Materie hingezogen werden.
♦„Elender, böser Knecht“ – wie erschütternd sind diese Worte! Im „Vaterunser“ nennen wir den Teufel „böse“, weil der Heiland uns sagt, dass er ein Lügner, also böse, listig und der Vater aller Lüge ist. Womit hat dieser listige Knecht seinem Herrn gegenüber gefehlt? Hat er die Freiheit von Gott nicht verstanden? Nein, meine Lieben, er wollte von Gott wirklich frei sein und fiel dadurch wieder in die Knechtschaft derselben Sünde der Materie. Sein Mitmensch war ihm nicht wichtig – wichtig waren ihm aber die paar geschuldeten Münzen. Diesen Mann blendete also die Materie. Indem er sich zu ihrem Diener machte, wurde er blind für den ihm vergebenden Gott. Die Strafe, die Gott in seiner Gerechtigkeit verhängt, hat nichts mit seiner Liebe und Güte zu tun. Er tut damit dem Bösen Gerechtigkeit an, das heißt, er belässt ihn in der Knechtschaft seiner Sünden.
♦Also müssen wir, die wir in der Kirche sind, etwas sehr Einfaches verstehen: Wir können nicht frei von Sünde sein, wenn wir nicht Diener Christi sind. Und umgekehrt: Wir können nicht Sklaven der Sünde und gleichzeitig bei Gott sein. Denn in Gottes Reich gibt es keinen anderen Gehorsam als dem Vater gegenüber. Selbst der Sohn wird am Ende der Zeiten, nachdem er alles dem himmlischen Vater unterworfen hat, sich dem Vater unterwerfen. Deshalb sagen wir: „Dass wir unter Deiner Herrschaft allezeit bewahrt werden“. Vor der Welt, vor der Materie, vor allem, was uns umgibt, sind wir bewahrt, wenn wir unter Gottes Herrschaft stehen. Sodass es im Hause des himmlischen Vaters nur solche Menschen gibt, die ihm freiwillig gehorchen. Wenn ich mich entscheide, Gottes Untertan oder Diener zu werden, nimmt er mich als Bruder und als Sohn auf. Einen anderen Status gibt es nicht, weder in Gottes Reich noch in dieser Welt. Wir sind entweder Söhne Gottes oder Söhne des Bösen.
♦Meine Lieben, lasst uns Kinder des Lichts sein, die nicht allzuviel des Materiellen, welches diese Welt bietet, bedürfen, sondern der Sohnschaft des himmlischen Vaters, die uns Christus geschenkt hat. Wir sollen nicht nach Lust streben, sondern gemäß den Worten des Erlösers zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen. Nur wenn wir dem Vater gleichen und uns von der Liebe zu ihm binden lassen, können wir in einem rechten Verhältnis sowohl zur Materie, die wir beherrschen, als auch zu unseren Mitmenschen stehen. Das hat der „elende Knecht“ nicht verstanden: Obwohl sein Herr ihn als Sohn aufnahm und ihm vergab, tat der Knecht es seinem Herrn nicht gleich, glich ihm nicht. Als Söhne sind wir berufen, dem Vater zu gleichen und nicht wieder zu Söhnen des Bösen zu werden, von denen der Heiland sagte: „Ihr habt den Teufel zum Vater“. Entweder sind wir also Söhne Gottes, sind in seine Liebe, Güte und Vergebung verliebt, lassen uns von ihm erobern und werden ihm gleich, oder wir bleiben oder werden Söhne des listigen Teufels und der Finsternis. Einen dritten Zustand gibt es nicht. Wenn wir also einst in der Finsternis waren, so lasst uns jetzt als Söhne des Höchsten und des Lichts wandeln. Amen.
Auszüge aus der Predigt von Vater Ioan zum 11. Sonntag nach Pfingsten – Das Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht (20. August 2017)
Übersetzung: Alvina Ivănescu